Mikroben machen Mäuse mutig.
Wie oft haben wir uns schon darüber geärgert, wenn wir in einem Konflikt lieber nachgegeben haben, als es zum Streit kommen zu lassen. Wie oft haben wir es bedauert, dass wir lieber in unserer Komfortzone bleiben, als mal etwas mehr zu riskieren. Wäre es nicht großartig, buchstäblich über unseren naturgegebenen Schatten springen zu können und mutiger und unerschrockener durchs Leben zu gehen? Zumindest bei Mäusen konnten Forscher einen solchen Sinneswandel herbeiführen – und zwar, indem sie den Tieren ein fremdes Darmmikrobiom verabreichten.
Die Darmflora – eine Charakterfrage!
Bereits vor mehr als zehn Jahren beobachteten japanische Wissenschaftler keimfrei aufgezogene Mäuse und schlussfolgerten, dass zur Ausbildung einer gesunden Stressreaktion offenbar eine normale Darmflora notwendig ist: Tiere, die unter sterilen Bedingungen aufgewachsen waren und daher kein Darmmikrobiom besaßen, reagierten deutlich stärker auf Stress als die Kontrollgruppe.
Kanadische Forscher von der McMaster-Universität in Ontario gingen noch einen Schritt weiter: Sie berichteten 2011 darüber, wie sich das Verhalten von Mäusen veränderte, je nachdem, wie ihre Darmflora zusammengesetzt war. Übertrugen sie einem Mäusestamm, der von Natur aus eher schüchtern und zurückhaltend war, die Darmflora eines anderen Stammes mit forscherem Charakter, so wurden auch die „geimpften“ Nager aktiver und mutiger. Umgekehrt konnten die Wissenschaftler beobachten, dass Mäuse, die das Darmmikrobiom von scheuen Tieren erhielten, danach ebenfalls zurückhaltender agierten.
Selbst den Effekt eines Antibiotikums bezogen die Forscher in ihre Untersuchungen mit ein: Die Medikamentengabe veränderte nicht nur die Zusammensetzung des Mäuse-Mikrobioms, sondern auch das Verhalten der Nagetiere!
Eine veränderte Darmflora führte bei den Mäusen auch zu einer Verhaltensveränderung.
Ängstliches Verhalten ließ sich demzufolge zumindest im Maus-Versuch steuern. Selbst bei Mäusen, die sowohl eine Dysbiose ihres Verdauungstraktes aufwiesen als auch damit einhergehend auffällige Verhaltensweisen zeigten, konnten kalifornische Wissenschaftler diese Symptome reduzieren: In der Darmflora der Mäuse war ein Überschuss bestimmter Bakterienarten nachgewiesen worden (Bacteroides und Clostridium); durch die Gabe von Bifido-Bakterienstämmen mit entzündungshemmenden Eigenschaften gingen die gastrointestinalen Symptome zurück und auch das Verhalten der Mäuse normalisierte sich.
Wer nun darauf hofft, dass psychische Erkrankungen wie Depressionen durch einen Joghurt behandelt werden können, muss sich leider noch ein wenig gedulden. Noch steckt die Forschung in den Kinderschuhen; und was im Mausmodell funktioniert, ist nicht ohne weiteres auf uns übertragbar.
In einer ersten Untersuchung mit menschlichen Teilnehmern konnte aber bereits gezeigt werden, dass sogenannte Psychobiotika durchaus die Aktivität in Gehirnbereichen beeinflussen, in denen Emotionen verarbeitet werden.
Ob in ein paar Jahrzehnten Psychotherapeuten auf bakterielle statt auf chemische Unterstützung bauen werden? Wer weiß – Wissenschaftler bewerten die bisherigen Forschungen jedenfalls als vielversprechend genug, um weitere, größer angelegte Studien zu befürworten!