Autoimmun­erkrankungen und Allergien – wenn das Immunsystem verrücktspielt

Was ist nur los mit mir? Chronische Müdigkeit, unerklärliche Schmerzen oder ein ständiges Schwächegefühl können Anzeichen für eine Autoimmunerkrankung sein. Sie entsteht, wenn sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet. Rund fünf Prozent der Deutschen leiden mittlerweile unter einer oder mehrerer dieser Erkrankungen, oft wird eine Diagnose erst nach Jahren gestellt. Aber warum bekommt man eine Autoimmunkrankheit und wie gefährlich sind diese Erkrankungen? Erfahren Sie hier Wissenswertes rund um das Thema Auto-immunkrankheiten und welchen Einfluss Ihre Lebensführung auf die Prognose nehmen kann. 

Definition: Was ist eine Autoimmunerkrankung? 

Unser Immunsystem hat die Aufgabe, uns vor Viren, Bakterien und anderen Krankheitserregern zu schützen. Dringen sie in den Körper ein, wird die Abwehr aktiviert, um die Fremd-stoffe zu bekämpfen. Körpereigene Strukturen bleiben von diesen Immunreaktionen norma-lerweise ausgenommen. Bei einer Autoimmunerkrankung aber richten sich die Abwehrkräfte gegen gesundes Gewebe – sie verhalten sich autoimmun. Diese Reaktion löst chronische Entzündungen aus und beschädigt die befallenen Strukturen. Autoimmunerkrankungen können einzelne Organe, aber auch ganze Funktionssysteme betreffen. Sowohl bestimmte Zellen des Immunsystem als auch Antikörper sind an der Autoimmunreaktion beteiligt. Greifen diese den eigenen Körper an, spricht man von Autoantikörpern. 

Gelegentlich werden Autoimmunerkrankungen mit Allergien gleichgesetzt. Der Unterschied zwischen beiden Diagnosen besteht darin, dass sich die Abwehrkräfte bei einer Allergie nicht gegen den Körper selbst richten, sondern hypersensibel auf eigentlich unschädliche Fremd-stoffe wie Nahrungsmittel, Tierhaare oder Pollen reagieren. 

Liste der häufigsten Autoimmunerkrankungen 

  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, z. B. Morbus Crohn
  • Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
  • Hashimoto-Thyreoiditis
  • Multiple Sklerose
  • Anti-Phospholipid-Syndrom
  • Psoriasis (Schuppenflechte)
  • Neurodermitis
  • Kreisrunder Haarausfall
  • Morbus Basedow (Autoimmunerkrankung gegen TSH-Rezeptoren der Schilddrüse)
  • Typ 1 Diabetes
  • Zöliakie (Glutenunverträglichkeit)
  • Rheumatoide Arthritis
  • Lupus Erythematodes

Welche Krankheiten gehören noch zu den Autoimmunerkrankungen?

Derzeit sind rund 40 verschiedene Autoimmunerkrankungen beschrieben, die alle Bereiche des menschlichen Organismus betreffen können. So unterschiedlich wie die Krankheitsbilder selbst ist auch die Häufigkeit, mit der sie auftreten. Während aktuellen Schätzungen zufolge rund 10 Prozent der Deutschen unter COPD oder einer Form der Hashimoto-Thyreoiditis lei-den, sind es bei einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung oder Multiplen Sklerose „nur“ einige hunderttausend. Selbst von eher bekannten Autoimmunerkrankungen wie Zöliakie oder Systemischem Lupus Erythematodes (SLE) sind mit 100 bzw. 37 Patienten pro 100.000 Einwohnern in Deutschland relativ wenige Menschen betroffen. Noch seltener sind Autoimmunkrankheiten des Bindegewebes oder des zentralen Nervensystems, z. B. die sys-temische Sklerodermie, das Sjögren-Syndrom, Sarkoidose, das Guillain-Barré-Syndrom oder Myasthenia gravis.

Welche Organe können von Autoimmunkrankheiten betroffen sein?

Eine Autoimmunreaktion kann sich grundsätzlich gegen jedes Organ richten. In manchen Fällen sind sogar mehrere Organe gleichzeitig betroffen. Mediziner unterschieden deshalb zwischen organspezifischen und systemischen Autoimmunkrankheiten.

Organspezifische Autoimmunerkrankungen: 

Zu dieser Gruppe gehören z. B. Diabetes Typ 1, Colitis ulcerosa, autoimmune Hepati-tis, Morbus Addison, Hashimoto Thyreoiditis oder Multiple Sklerose. Sie betreffen nur ein Organ oder eine spezifische Gewebsstruktur, also etwa die Bauchspeicheldrüse, den Darm, die Leber, die Nieren, die Schilddrüse oder die Nervenfasern.

Systemische Autoimmunerkrankungen: 

Entzündliche Erkrankungen des Bindegewebes und der Gefäße greifen häufig auf Organe und Organsysteme über, z. B. die Haut, die Augen oder die Lunge. Hierzu gehören neben SLE, Sklerodermie und dem Sjögren-Syndrom auch systemische Vaskuli-tiden wie Morbus Wegener oder Morbus Behcet. 

Insbesondere organspezifische Autoimmunerkrankungen kommen nicht immer allein. So besteht z. B. bei Patienten mit Diabetes Typ 1 oder Zöliakie ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer weiteren Autoimmunstörung zu erkranken. 

Ursachen: Warum bekommt man eine Autoimmunerkrankung? 

Autoimmunkrankheiten sind in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus gerückt – nicht zuletzt, weil auch Prominente öffentlich über ihre Erkrankung gesprochen haben. Neuartige Therapieansätze machen Patienten Hoffnung auf eine Linderung ihrer Beschwerden. Die Ursachen der chronischen und nicht vollständig heilbaren Erkrankungen sind zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht restlos geklärt. Sicher ist zumindest, dass es nicht nur einen Auslöser gibt, sondern mehrere Faktoren beim Ausbruch einer Autoimmunkrankheit eine Rolle spielen. 

Genetische Veranlagung: 

Autoimmunerkrankungen sind keine Erbkrankheiten im eigentlichen Sinne, dennoch liegt in vielen Fällen eine genetische Veranlagung vor. Bei einigen Krankheitsbildern kann zudem eine familiäre Häufung beobachtet werden.

Umweltfaktoren: 

Giftstoffe, Weichmacher oder Chemikalien können das Immunsystem überstrapazieren. Auch einseitige Ernährung, die Einnahme bestimmter Medikamente, z. B. Antibiotika, und eine übertriebene Hygiene werden mit Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht. Diese Faktoren können die Darmflora schädigen und das Gleichgewicht zwischen „guten“ und schlechten Darmbakterien stören, was Gewebsveränderungen und damit die Entstehung einer Autoimmunerkrankung begünstigt.

Organische Erkrankungen: 

Schwere virale und bakterielle Infektionen oder Tumorbehandlungen können das Immunsystem irritieren und die Produktion von Autoantikörpern gegen versehentlich als „fremd“ identifizierte Proteine stimulieren.

Hormonelle Veränderungen: 

Ob Lupus Erythematodes, rheumatoide Arthritis oder Multiple Sklerose – Frauen leiden bis zu sechs Mal häufiger unter Autoimmunkrankheiten als Männer. Oft brechen sie nach der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren aus, wenn sich der Hormonhaushalt stark verändert. Neben den Geschlechtshormonen könnte auch eine altersbedingte Zunahme an B-Zellen, einer Gruppe der weißen Blutkörperchen, für die Häufigkeit der Erkrankungen mitverantwortlich sein.

Stress: 

Autoimmunkrankheiten treten häufig auf, wenn wir sprichwörtlich „mitten im Leben“ stehen. In der Spanne zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr trifft vieles zusammen: Berufseinstieg oder Arbeitsplatzwechsel, familiäre Veränderungen, lebensverändernde Entscheidungen. Viele Menschen können unter diesen Mehrfachbelastungen nur schwer abschalten. Über den Zusammenhang zwischen extremem Stress und einer Schwächung des Immunsystems ist inzwischen viel bekannt. Befindet sich der Organismus ständig im „Flucht- und Kampfmodus“, werden verstärkt Stresshormone ausgeschüttet und die Produktion von Zytokin angekurbelt, einem Protein, das für die Aktivität der Immunzellen verantwortlich ist und ihre Vermehrung steuert. Ist der Zytokinspiegel chronisch erhöht, kann das einen Toleranzverlust des Immunsystems begünstigen.

Wie äußert sich eine Autoimmunerkrankung?

Eine Krankheit mit vielen Gesichtern – was für die Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose gilt, trifft auch auf andere Autoimmunerkrankungen zu. Die Art und Ausprägung der Symptome hängt vor allem davon ab, welche Organe betroffen sind. Typische Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, krampfartige Bauchschmerzen (vor allem im Oberbauch) und Durchfälle können auf eine Autoimmunkrankheit unter Beteiligung der Leber, der Bauchspeicheldrüse oder des Darms hindeuten. Treten die Symptome z. B. nach dem Verzehr von glutenhaltigen Getreideprodukten auf, ist eine Zöliakie eine mögliche Ursache. Ein Diabetes Typ 1 äußert sich zuerst durch ständigen starken Durst und häufiges Wasserlassen können. Blut im Urin und eine veränderte Harnmenge können auf eine Autoimmunerkrankung der Nieren hindeuten.  

Oft sind die Symptome jedoch unspezifisch. Gewichtsschwankungen, trockene Schleimhäute, Kribbeln und Taubheitsgefühle in den Extremitäten, brennende Fußsohlen oder Muskel- und Gelenkschmerzen müssen für sich genommen noch kein Grund zur Besorgnis sein. Oft steckt sogar eine harmlose Ursache dahinter. Halten Schmerzen oder Unwohlsein jedoch über längere Zeit an, sollten Sie Ihren Arzt auf die Möglichkeit einer Autoimmunkrankheit ansprechen. Gleiches gilt für auffällige Hautveränderungen. So zeigt sich bei Lupus Erythematodes in manchen Fällen das charakteristische Schmetterlingserythem, eine leicht erhabene, helle Rötung, die sich vom Nasenbein aus schmetterlingsförmig über den oberen Wangenbereich ausbreitet.  

Wichtig: Eine genaue Diagnose kann nur ein Arzt stellen. Daher sollten Sie bei anhaltenden gesundheitlichen Problemen oder beim Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung unbedingt ärztlichen Rat suchen, um Gewissheit zu bekommen.

Diagnose und Behandlung von Autoimmunkrankheiten

Häufig sind verschiedene Tests und Laboruntersuchungen bei verschiedenen Fachärzten notwendig, bis die Diagnose Autoimmunerkrankung gesichert ist. Leider gibt es bis dato kei-ne Therapie, die eine solche Erkrankungen ursächlich bekämpft. Bei der Behandlung geht es also vorranging darum, die Begleiterscheinungen zu lindern und die Lebensqualität der Patienten so gut wie möglich zu erhalten. Eine individuelle Therapie wird dabei jeweils auf den Patienten und auf die Art und Schwere der Krankheit abgestimmt. Zu den häufigsten Behandlungsmethoden bei Autoimmunerkrankungen gehören: 

  • Medikamentengabe zur Beeinflussung des Immunsystems, aber auch zur Schmerzlinderung  
  • Ergo- und Physiotherapie zum Erhalt bzw. zur Verbesserung motorischer Fähigkeiten 
  • Lichttherapie zur Behandlung chronischer Hautveränderungen, z. B. bei Psoriasis 
  • Ernährungsumstellung und Diäten 
  • Begleitende Psychotherapie 

Autoimmunerkrankungen, aber auch schwere Allergien bringen tiefgreifende Veränderungen für die Betroffenen und ihr Umfeld mit sich. Glücklicherweise können aber eine gesunde, ausgeglichene Lebensführung und Maßnahmen zur Unterstützung des Immunsystems einiges zum Erhalt der Lebensqualität beitragen.