Reizdarmsyndrom – was ist das eigentlich?

Das Reizdarmsyndrom – oder kurz: Reizdarm – ist definiert als eine Funktionsstörung des Darms ohne Zuordnung einer körperlichen Ursache. In der zweiten und dritten Lebensdekade leiden etwa doppelt so viele Frauen wie Männer unter den wiederkehrenden Darmbeschwerden, die auch als colon irritabile oder auf englisch als irritable bowel syndrome bezeichnet werden. Trotz ärztlicher Untersuchung findet sich keine zugrundeliegende organische Erkrankung, weshalb das Reizdarmsyndrom bis vor kurzem als psychisch bedingt angesehen wurde – oder gar als Einbildung. Für Betroffene bedeutete dies oft einen langen Leidensweg und eine frustrierende Odyssee von Arzt zu Arzt, ohne wenigstens eine definitive Diagnose zu erhalten.

Ganz besonders belastend sind dabei die Auswirkungen der extremen Reaktionen des Darms: Bauchschmerzen, oftmals begleitet von plötzlichem Stuhldrang oder quälender Verstopfung durchkreuzen die Tagesplanung. Viele Betroffene machen ihre Freizeitplanung abhängig davon, ob eine Toilette erreichbar ist oder bleiben aus Scham gleich ganz zuhause. Wenn jedoch irgendwann das ganze Denken nur noch um den Darm kreist, wird ein normaler Alltag beinahe unmöglich: Die Lebensqualität ist stark beeinträchtigt und nicht selten steht am Ende sogar die soziale Isolation. Welche Faktoren an der Entstehung des Reizdarmsyndroms beteiligt sein können, welche Auswirkungen es hat und was man dagegen tun kann – darüber lesen Sie mehr auf dieser Seite!

Reizdarmsyndrom – Symptome

Woran erkennt man denn nun, ob ein Reizmagen oder nervöser Darm, wie landläufige Bezeichnungen lauten, zutrifft? Typische Symptome eines Reizdarmsyndroms beinhalten Bauchschmerzen, Diarrhoe (Durchfall), Verstopfung oder Meteorismus (Blähbauch) und Blähungen. Diese sind jedoch so unspezifisch, dass sie auch auf andere Erkrankungen hindeuten können. Das könnte beispielsweise eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung sein, ein Magen-Darm-Infekt, ein Tumor oder Magengeschwür, eine Unverträglichkeit gegen bestimmte Nahrungsmittel oder auch das sogenannte Leaky-Gut-Syndrom. Vom ärztlichen Standpunkt handelt es sich bei der Diagnose „Reizdarmsyndrom“ um eine Ausschlussdiagnose – das bedeutet, dass der Arzt zunächst diese und alle anderen infrage kommenden Ursachen für die Beschwerden ausschließen muss.

Um eine einigermaßen einheitliche Handhabe bei der Diagnose zu haben, werden in regelmäßigen Abständen die sogenannten Rom-Kriterien veröffentlicht. Auf diese stützen sich auch die Leitlinien zur ärztlichen Behandlung des Reizdarmsyndroms. Laut den Rom-IV-Kriterien kann ein Reizdarmsyndrom als gesichert gelten, wenn

Die oben genannten Stuhlveränderungen können sowohl Änderungen der Stuhlkonsistenz (hin zu härter oder flüssiger) als auch Änderungen der Stuhlfrequenz (zunehmend häufiger oder seltener) umfassen. Je nachdem, welche dieser Symptome im Vordergrund stehen, können wiederum drei verschiedene Typen des Reizdarmsyndroms unterschieden werden:

  1. Reizdarmsyndrom mit ausgeprägter Verstopfung
  2. Reizdarmsyndrom mit ausgeprägtem Durchfall
  3. Reizdarmsyndrom mit ausgeprägten Bauchschmerzen.
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Welche Ursachen ein Reizdarmsyndrom hat

Wie bereits in der Definition des Reizdarmsyndroms deutlich wird, gibt es dafür keine Ursachen im Sinne von zugrundeliegenden organischen Erkrankungen. Vielmehr scheinen von Patient zu Patient unterschiedliche Faktoren eine unterschiedlich große Rolle für die Entwicklung zu spielen. Viele Patienten mit Reizdarmsyndrom besitzen offenbar einen sehr empfindlichen Darm: Der Darm ist von einem sehr komplexen Nervensystem mit rund 100 Millionen Nervenzellen umgeben – manchmal auch als „zweites Gehirn“ bezeichnet. Dieses reguliert unter anderem eigenständig die Darmbewegungen. Bei Patienten mit Reizdarmsyndrom wird manchmal beobachtet, dass diese sogenannte Peristaltik gestört ist und der Darm besonders schmerzhaft auf Gase reagiert, die den Darm aufblähen. Bei wieder anderen sind möglicherweise Infektionen die Ursache für die Entstehung des Reizdarmsyndroms. 

Aufgrund der Verflechtungen von Kopf- und Bauchhirn liegt es außerdem nahe, dass psychischer Stress den Darm beeinflusst und die Beschwerden auslösen bzw. verstärken kann. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer psychischen Erkrankung. Auch hormonelle Umstellungen können die Beschwerden zumindest verstärken – ein Grund, warum bei Frauen oft die Wechseljahre Symptome eines Reizdarmsyndroms mit sich bringen. Es gibt weiterhin keinen Beleg dafür, dass Genussgifte oder einseitige Ernährung ein Reizdarmsyndrom verursachen können – jedoch ist es durchaus möglich, über die Ernährung Einfluss auf die Symptome zu nehmen und gegebenenfalls auf diesem Wege zu lindern. Molekularbiologische Untersuchungen zeigten außerdem, dass bei Patienten mit Reizdarmsyndrom die Zusammensetzung der Mikrobiota von derjenigen gesunder Menschen abweicht. 
 

IST DAS REIZDARMSYNDROM HEILBAR?
Die gute Nachricht zuerst: Ein Reizdarmsyndrom ist weder gefährlich noch gar lebensbedrohlich. Betroffene können die Symptome mithilfe einer Reihe von Maßnahmen in den Griff bekommen und somit ihre Lebensqualität wieder zurückgewinnen. Diese Erkenntnis hilft vielen Patienten bereits, gelassener mit ihrer Diagnose umzugehen. Da eine konkrete organische Ursache jedoch nicht bekannt ist, kann das Reizdarmsyndrom auch nicht im eigentlichen Sinne geheilt werden.

DIE BEHANDLUNG DES REIZDARMSYNDROMS

Da es keine zugrundeliegende Krankheitsursache gibt, gibt es für das Reizdarmsyndrom auch keine Heilung im eigentlichen Sinn. Bei den therapeutischen Maßnahmen steht deshalb jeweils die symptomatische Behandlung im Vordergrund: Es geht darum, die Schmerzen und die Verdauungsbeschwerden zu reduzieren und den Patienten wieder einen normalen Alltag zu ermöglichen. Man kann versuchen, das Reizdarmsyndrom auf medikamentösem Weg und durch unterstützende, stresslindernde psychotherapeutische Maßnahmen in den Griff zu bekommen. Schließlich hat sich auch eine Ernährungsumstellung als hilfreich erwiesen, bei der auf bestimmte Nahrungsmittel verzichtet wird.

Wie oben schon angesprochen, sind viele Experten der Überzeugung, dass das Reizdarmsyndrom mit einer Fehlbesiedelung des Darms in Zusammenhang steht. Wie wir heute wissen, hat die Gemeinschaft der nützlichen Mikroorganismen in unserem Darm einen großen Einfluss auf die psychische und physische Gesundheit. Einige dieser Lebewesen sind in der Lage, das Wachstum schädlicher Keime zu hemmen, die Darmschleimhaut zu stärken und zu schützen, haben zum Teil entzündungslindernde Eigenschaften und verbessern überdies das Immunsystem und stimulieren die Eigenbewegungen des Darms. Kommt es zu einer sogenannten Dysbiose – zu einem Übergewicht potenziell schädlicher Keime – im Darm, so kann das weitreichende Konsequenzen haben.

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DAS REIZDARMSYNDROM und die Rolle der Darmflora

Es ist noch nicht abschließend geklärt, was zuerst da war – das Reizdarmsyndrom oder die Dysbiose. Unstrittig ist jedoch mittlerweile, dass viele Patienten mit Reizdarmsyndrom drei Faktoren aufweisen, die den Symptom-Komplex schlüssig erklären: Erstens weist die Darmflora eine Fehlbesiedelung auf. Diese sogenannte Dysbiose bedeutet ein Übergewicht an potenziell schädlichen Keimen, während die Anzahl der nützlichen Darmbakterien zurückgegangen ist. Außerdem weisen die sogenannten „tight junctions“ zwischen den Epithelzellen der Darmschleimhaut Lücken auf. Diese engen Verbindungen funktionieren im gesunden Darm wie ein Ventil, das nur erwünschte Stoffe vom Darminneren in den Körper gelangen lässt. Wenn dieses Ventil offensteht, ist damit ein wesentlicher Teil der Darmbarriere durchlässig geworden. Das Eindringen von Fremdstoffen wie schädliche Bakterien und Stoffe mit Allergie-Potenzial in die Darmwand ist somit begünstigt. Das wiederum begünstigt Entzündungsprozesse und allergische Reaktionen, die bei Patienten mit Reizdarmsyndrom verstärkt in der Darmwand ablaufen.

Grafik Überreaktion Darm

ERNÄHRUNG BEI REIZDARM-SYNDROM

Wenn Sie planen, Ihre Ernährung umzustellen, ziehen Sie am besten einen Ernährungsberater hinzu. So stellen Sie sicher, dass Ihnen durch den Wegfall einzelner Nahrungsmittelgruppen nicht auch gleichzeitig wichtige Nährstoffe verloren gehen. Ein Ernährungstagebuch kann dabei helfen, herauszufinden, welche Lebensmittel die Beschwerden verstärken und welche eher für Sie geeignet sind. Erfahrungsgemäß kann eine sogenannte FODMAP-arme Ernährung dabei helfen, die Symptome eines Reizdarm-Syndroms zu begleiten.

  • Mehrere kleinere Mahlzeiten sind verträglicher als wenige und dafür üppigere.
  • Lassen Sie sich ausreichend Zeit beim Essen. Fokussieren Sie sich auf die Mahlzeit, nehmen Sie kleine Bissen zu sich und kauen Sie gründlich.
  • Verzichten Sie wenn möglich ganz auf den Genuss von Alkohol oder schränken Sie ihn zumindest stark ein.
  • Achten Sie hingegen darauf, genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen: Zwei Liter Wasser oder ungesüßter Tee pro Tag sollten es mindestens sein.
  • Überwiegen bei Ihnen die Verstopfungssymptome, können pflanzliche Ballaststoffe hilfreich sein. Reizdarmpatienten mit starken Blähungen können andererseits versuchen, die Ballaststoffmenge aus frischem Obst und Gemüse auf ca. drei Portionen täglich zu reduzieren.

Mittel gegen DAS REIZDARM-SYNDROM:

Auch wenn es das eine Heilmittel nicht gibt: Bei einem Reizdarmsyndrom Medikamente einzunehmen, kann sinnvoll sein, um einzelnen Beschwerden des Reizdarmsyndroms zu lindern! Chemisch definierte Arzneimittel sind jedoch häufig nicht zur langfristigen Einnahme geeignet. Fragen Sie daher Ihren Arzt um Rat, wenn Sie planen, einzelne Beschwerden medikamentös zu behandeln. Häufig gibt es auch naturheilkundliche Alternativen.

  • Schmerzmittel und krampflösende Medikamente können kurzzeitig gegen Bauchschmerzen helfen. Manchmal ist auch schon eine Wärmflasche wohltuend.
  • Die Kombination von Spasmolytika (krampflösende Medikamente) mit dem patentierten Bakterien-Komplex i3.1 kann empfohlen werden!
  • Laxantien dienen dazu, Verstopfungen aufzulösen. Hier gibt es mittlerweile auch Alternativen, die den Organismus nicht belasten.
  • Durchfälle lassen sich ebenfalls medikamentös behandeln.
  • Niedrig dosierte Antidepressiva können das Darmnervensystem beruhigen und auf diese Weise für Linderung der Symptome sorgen.
  • Gegen Blähungen helfen pflanzliche Mittel wie Tees aus Anis-, Fenchel- oder Kümmel-Saat.
     

Unterstützende Maßnahmen:

Begleitend dazu können Sie psychotherapeutische Methoden wie eine kognitive Verhaltenstherapie oder eventuell eine darmbezogene Hypnose in Betracht ziehen. Aber auch Entspannungstechniken wie die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, Autogenes Training oder Yoga erweisen sich manchmal als hilfreich zur Stressreduktion und helfen dabei, die innere Ruhe wiederzufinden.