Die Bedeutung der Darm­gesundheit für die Psyche.

Der Darm ist ein komplexes Ökosystem und steuert viele lebensnotwendige Prozesse. In seinem Einfluss auf die Psyche des Menschen wurde der Darm lange unterschätzt. Immer mehr Forschungen beschäftigen sich mit den Zusammenhängen zwischen Darm und psychischer Gesundheit. Wir sprachen mit dem Mikrobiologen Dr. Hauss über die Erkenntnisse zur „Darm-Hirn-Achse“, die Bedeutung einer ausgeglichenen Darmflora und wie diese unterstützt werden kann.

Interview mit Herr Dr. Hauss

Herr Dr. Hauss, immer häufiger hört man den Begriff „Darm-Hirn-Achse“, was ist damit gemeint?

Unter dem Begriff „Darm-Hirn-Achse“ versteht man den wechselseitigen und hochkomplexen Kommunikationsprozess zwischen den Nervensystemen von Darm und Hirn. Der Darm verfügt, anders als andere Organe, über ein eigenes und selbstständiges Nervensystem, das auch häufig als „zweites Gehirn“ bezeichnet wird. Dieses Nervensystem besteht aus 500 Millionen Nervenzellen und steht in direkter Verbindung mit dem Zentralnervensystem. Diese Verbindung ist die sogenannte „Darm-Hirn-Achse“. Lange hat man angenommen, dass Informationen lediglich vom Hirn an den Darm gesandt werden. Dass es einen Informationsaustausch zwischen beiden Organen gibt und dabei der wesentlich größere Teil der Informationen vom Darm an das Hirn gesendet wird, bestätigt eine Vielzahl an Studien. Besonders intensiv beschäftigen wir uns in der Forschung in den letzten Jahren mit der Bakterienflora des Darms und deren Einflussnahme auf die Psyche.

Dr. rer. nat. Reinhard Hauss, promovierter Mikrobiologe, verrät uns, wie sich Darm und Hirn austauschen und welche Rolle eine ausgeglichen Darmflora für dieses Zwiegespräch spielt!

Psychobiotika:

Wissenschaftliche Definition für Darmbakterien, die einen positiven Einfluss auf die Psyche haben.

Was kommuniziert denn der Darm an das Hirn?

Die Nervenzellen senden Signale an das Hirn und steuern damit beispielweise alle Vorgänge des Verdauungsprozesses, Hunger- oder Durstempfinden. Unerlässlich für den Informationstransfer sind Neurotransmitter, also Botenstoffe, die Informationen zwischen den Nervenzentren vermitteln. Zu den wichtigen Botenstoffen gehören die sogenannten „Glückshormone“ Serotonin und Dopamin. Diese Botenstoffe regulieren unter anderem auch das Stressempfinden, beeinflussen unsere Gefühlslage und sorgen sowohl für inneren Antrieb als auch Entspannung.

Bestimmte Darmbakterien sind in der Lage, diese Neurotransmitter zu produzieren und deren Wirkungsgrad zu steigern. Diese Darmbakterien nehmen einen positiven Einfluss auf die Psyche und werden in der Wissenschaft als Psychobiotika bezeichnet. Ist die Darmflora im Ungleichgewicht kann dies Einfluss auf die Stimmungslage, das innere Gleichgewicht und die Stressresistenz haben.

Die Balance der Darmflora kann auch das psychische Gleichgewicht positiv beeinflussen.

Herr Dr. Hauss, hat man auf das Gleichgewicht der Darmflora Einfluss?

Das Mikrobiom, also die Darmflora, ist in der Zusammensetzung und in der Anzahl der Bakterien bei jedem Menschen unterschiedlich. Das ist zum einen genetisch bedingt, zum anderen spielen Umwelteinflüsse und individuelle Lebensbedingungen eine Rolle. Faktoren sind beispielsweise einseitige Ernährung, Stress, Genussgifte oder unzureichender Schlaf. Chronische Erkrankungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und auch Medikamente können die Darmflora nachhaltig aus dem Gleichgewicht bringen. An vielen dieser Faktoren kann man selbst etwas ändern und damit viel für die eigene Darmgesundheit tun, auf manche Faktoren hat man weniger oder keinen Einfluss. So spielen akuter und

chronischer Stress heutzutage in unserer Lebenswirklichkeit eine größere Rolle denn je. Stress schädigt die Darmschleimhaut, macht sie durchlässig und beeinträchtigt dadurch auch das sensible Mikrobiom. Das Stressempfinden zu regulieren und psychischen Druck zu mildern hat demzufolge einen wichtigen Einfluss auf die Darmgesundheit. Hier können Psychobiotika in Verbindung mit ausgewählten Milchsäurebakterien und Vitaminen helfen. Klinische Studien zeigen, dass die Unterstützung von nützlichen psychobiotischen Darmbakterien die Balance der Darmflora und damit auch das psychische Gleichgewicht positiv beeinflussen kann.1 Je gesünder die Darmflora, desto höher die Stressresistenz.

1 Cell Mol Gastroenterol Hepatol. 2018; 6(2): 133–148